Manufaktur „La Corona“
S. auch Geschichte der kubanischen Manufakturen, Historisches
Die Textvorlage stammt aus dem Cigar Journal von 5THAVENUE Products Trading GmbH, Ausgabe 40, Oktober 2009.
Bildquelle: 5THAVENUE Products Trading GmbH
Heute nun machen wir, nach der letzten Folge, einen Sprung in der Cigarrengeschichte Cubas, der knapp einhundert Jahre umfasst und die Entwicklung dieses Industriezweiges ganz besonders eindrucksvoll widerspiegelt. Während die Calle San Miguel mit ihren kleinen, schmalen Häusern eher bescheiden und unscheinbar wirkte, präsentiert sich die Manufaktur „La Corona“, auch „Palacio de Hierro“, Eisenpalast genannt, als ein Monument cubanischer Cigarrengeschichte.
Werfen wir einen Blick zurück. Anfang des 19. Jahrhunderts begann sich die Cigarrenindustrie in Havanna langsam zu entwickeln. Es gab eine große Nachfrage nach Cigarren, die erst von wenigen Markeninhabern in kleinen Produktionsstätten erfüllt wurde. Die Nachfrage stieg allerdings so rasant, dass schon nach wenigen Jahrzehnten große, prächtige Cigarrenpaläste entstanden, in denen die Cigarren gerollt wurden. Große, auch heute noch bekannte Marken wie zum Beispiel H. Upmann, Partagás oder Fonseca erlebten ihre ersten Blütezeiten. Doch der Unabhängigkeitskrieg in Cuba erschwerte die Lage immens. Er dauerte, mit Unterbrechungen, beinahe drei Jahrzehnte und endete 1905 mit der Gründung der Republik Cuba. Zu diesem Zeitpunkt war ein Großteil derjenigen, die in der Cigarrenproduktion tätig waren, bereits ausgewandert.
Doch da von unruhigen Zeiten und Kriegen auch immer jemand profitiert, verwundert es nicht, dass in dieser Zeit erst britische, dann auch amerikanische Investoren Fabriken und Tabakplantagen aufkauften. Diese schlossen sich später zu einem Konsortium zusammen, das unter dem Namen „American Trust“ in die Geschichte eingegangen ist. Das Konsortium besaß einerseits direkten Zugang zum Rohmaterial, konnte andererseits aber auch als Markenbesitzer Cigarren herstellen und vermarkten. Der American Trust konzentrierte ab 1903 mehr als die Hälfte der damals existierenden Habanos-Marken in seiner Hand.
Anfang des 20. Jahrhunderts nun sollte die Effektivität bei der Herstellung der Cigarren dadurch gesteigert werden, dass man, anstatt in vielen kleinen Fabriken zu produzieren, eine große Fabrik bauen ließ, in der noch besser gearbeitet werden konnte. Durch den Abriss der Stadtmauer Havannas standen immer noch große Flächen zur Bebauung zur Verfügung. So auch das Grundstück, das heute von der Calle Agramonte (früher Calle Zulueta), der Calle Colon, der Calle Refugio und der Calle Morro begrenzt wird und einen gesamten Block einnimmt. Hier errichtete der „American Trust“ die Fabrik „La Corona“, benannt nach einer der bedeutendsten Marken damals. 1904 konnte sie fertiggestellt werden.
Direkt daneben befindet sich heute das „Museo de la Revoluccion“, das im ehemaligen „Palacio de Presidencial“, dem Präsidentenpalast, untergebracht ist. Dieser wurde allerdings erst später, im Jahre 1920, erbaut. Es handelte sich bei dem Gebäude der La Corona-Manufaktur um die damals erste Stahlkonstruktion auf Cuba. Sie ist unter dem Namen „Palacio de Hierro“ oder „Iron-Palace“, Eisen-Palast, bekannt geworden. Eine New Yorker Konstruktionsfirma errichtete das beeindruckende Gebäude für einen Preis von einer Million Pesos. Die Produktion eines Großteils der Cigarren, die vom „American Trust“ angeboten wurden, fertigte man fortan in dieser Fabrik.
Bis 2003 wurden in der Manufaktur „La Corona“ Cigarren hergestellt. 900 Arbeiter waren am Ende dort beschäftigt, davon 420 Torcedores. Sie fertigten Cigarren der Marken Cohiba, Montecristo, Romeo y Julieta, Partagás, Cuaba, Hoyo de Monterrey sowie sämtliche San Cristobal-Formate. 8 Millionen Stück Cigarren verließen am Ende jährlich die Fabrik. Doch das Gebäude ist inzwischen in so schlechtem Zustand, dass die Produktion in eine neue Fabrik, hinter der berühmten Plaza de la Revolución gelegen, ausgelagert wurde.
Das alte Gebäude ist riesig, selbst aus größerer Entfernung wirkt es beeindruckend. Geht man nicht allzu nah ran, fallen die tiefen Risse in den Mauern nicht weiter auf. Tritt man jedoch näher, sieht man überall die Spuren des Verfalls. Kaum eines der Fenster in den oberen Stockwerken ist noch ganz. Auch die Säulen, die das Gebäude rundherum säumen, können die Last nicht tragen. Was in Zukunft mit diesem Gebäude passiert, steht nicht fest. Pläne zur Sanierung existieren sicher, fraglich ist nur, ob die Sanierung eines Gebäudes derartiger Größe finanzierbar ist.